Leseprobe Theaterstück
Landgasthaus zum Hirsch
…
Gerhard: Blickt sie verlegen an und druckst herum.
Traudel, meinst du … Könnten wir beide vielleicht …? Ir…, irgendwohin zusammen …?
Edeltraud: Blickt nach oben.
Mama, was ist hier los? Noch ein Stotterer. Ich glaube, in diesem Dorf kann keiner richtig reden.
Gerhard: Wird noch verlegener.
Was meinst du? Mit wem redest du?
Edeltraud: Blickt Gerhard in die Augen.
Vor einigen Minuten hatte ich eine kleine Meinungsverschiedenheit mit meinem Vater. Ich stelle fest, dass du auch nicht besser stotterst als er.
Gerhard: Sein Gesichtsausdruck entwickelt sich zu einem Fragezeichen.
So! Soo …?
Edeltraud: Zuckt mit den Schultern, lächelt Gerhard an.
Also, ich wollte eben kurz in einen Dialog mit meiner toten Mutter treten und begann, ihr mein Leid zu klagen. Aber sie hat mir noch nicht geantwortet. Was möchtest du mir denn sagen, lieber Gerhard?
Gerhard: Das Gesicht zeigt deutlich, dass er nichts verstanden hat.
Ach so, Di…, Di…, Dialog mit deiner Mutter …, viele Grüße auch …, und, und gestotterter Vater, ja, hm ... Habe komplett verstanden. Ich meine, alles voll. Ich wollte fra…!
Die Tür wird aufgestoßen und herein kommt ein Pärchen. Es sind: Erwein Ruprecht von Ollersbaum und Klariska Lenelotte von Ollersbaum.
Erwein: Strahlt über das ganze Gesicht. Geht mit großen Schritten auf Edeltraud zu und umarmt sie herzlich.
Da ist die schönste Blume mit der prächtigsten Blüte, der alles überstrahlende Stern im riesigen Universum. Meine Edeltraud. Wir haben uns lange nicht gesehen.
Edeltraud: Legt ihre Arme um seinen Hals und gibt ihm einen Kuss auf die Wange.
Es ist schön, dich zu sehen. Ich freue mich sehr, dass ihr den Weg hierher gefunden habt und ein wenig Urlaub vom Alltag machen wollt.
Sie dreht sich zur Schwester von Erwein um, geht auf sie zu. Beide umarmen sich.
Wir haben uns ebenfalls lange nicht gesehen. Du siehst richtig gut aus, wenn ich dir das Kompliment machen darf. Herzlich willkommen.
Gerhard steht daneben mit offenem Mund.
Klariska
Liebe Edeltraud. Ich habe mich von meinem Verlobten getrennt. Da sieht man immer gut aus. Danke für dein Kompliment. Tut mir gut. Als mein Bruder …
Zeigt mit der Hand auf Erwein.
… die Idee hatte, dich hier in der Wildnis zu besuchen, um ein wenig Abstand vom Alltagsleben zu bekommen …,
Klariska kichert hinter der an den Mund gelegten Hand.
… habe ich spontan gesagt: Da fahre ich mit. Und so sind wir jetzt hier.
Edeltraud: Macht ein betrübtes Gesicht.
Klari. Das mit deinem Verlobten tut mir aber wirklich leid. Das war doch so ein hübscher Kerl.
Klariska: Winkt ab.
Ja hübsch, jedoch bequem, arbeitsscheu und unfassbar langsam, sodass ein Faultier rückwärts jeden 100 Meter Lauf gegen ihn gewinnt. Er war auch vollkommen entspannt, wenn man ihn wegen seiner Trägheit ansprach. Er sagte immer nur: Ich habe nichts zu tun, und es macht mich unendlich müde.
Edeltraud Klopft ihr auf den Rücken.
Wenn ich das höre, dann hast du sicherlich richtig entschieden.
Klariska
Komisch, er sagte das Gleiche. Grinste mich an und nuschelte kaum verständlich: Du hast dich richtig entschieden. Ich würde mich auch verlassen. Klariska, mach es gut, ich hole mir halt eine andere Schnecke.
Klariska haut mit der Hand auf den Tresen, dass es knallt. Alles zuckt erschreckt zusammen.
Ich habe ihn angeschrien: Dann pass auf, dass du keine Rennschnecke bekommst.
Edeltraud, Erwein und Klariska lachen.
Gerhard räuspert sich vernehmlich. Die drei drehen sich zu ihm herum und sehen ihn an.
Gerhard: Räuspert sich noch einmal und holt tief Luft.
Wenn ich das richtig verstanden habe, dann sind Sie kein Paar, sondern Bruder und Schwester?
Erwein: Sehr höflich und distanziert.
Ja, das stimmt. Obwohl ich nicht weiß, warum Sie fragen? Gehören Sie zum Haus?
Ehe Gerhard antworten kann mischt sich Edeltraud ein.
Edeltraud
Nein, Erwein, das ist ein Gast aus dem Dorf. Er wollte eben gehen.
Sie wedelt mit der Hand Gerhard zu, dass er gehen soll. Der denkt allerdings nicht daran, der unmissverständlichen Aufforderung von Edeltraud Folge zu leisten und bleibt stehen.
Eure Zimmer sind schon hergerichtet. Ich bringe euch erst einmal nach oben und zeige sie euch.
Gerhard: Man merkt ihm an, dass ihm die Situation nicht gefällt. Er tritt von einem Fuß auf den anderen.
Sie!
Er deutet auf Erwein.
Was wollen Sie hier? Was haben Sie hier zu suchen?
Edeltraud: Ist ziemlich sauer. Sie stemmt die beiden Arme in die Hüfte und sagt resolut:
Gerhard, das sind Gäste unseres Hauses und sie gehen dich nichts an. Schon gar nicht geht es dich etwas an, was sie hier wollen. Setzt dich hin, trink dein Wasser oder was du auch immer möchtest und halt deinen Rand oder geh einfach nach Hause.
Gerhard
Wenn Eindringlinge in unser Dorf kommen, habe ich das Re…!
Edeltraud: Holt tief Luft.
Also …!
Weiter kommt sie nicht. Erwein zwinkert sie an und legt den Finger auf den Mund während er auf Gerhard zugeht.
Erwein: Tritt an Gerhard heran und betrachtet ihn von oben bis unten. Mit gönnerhafter Stimme spricht er.
Was haben wir denn da für einen strammen Waldburschen? Sieht recht gesund aus.
Mit großen Augen starrt Gerhard sein Gegenüber an.
Kräftige Arme. Kräftiger Oberkörper. Krumme Beine.
Erwein klopft Gerhard leicht mit dem Handknöchel auf die Stirn. (Könnte hinter der Bühne mit entsprechenden Schlägen auf eine Trommel begleitet werden.)
Klingt hohl. Wenig drin, wenn ich das richtig sehe, äh- höre.
Erwein blickt Gerhard tief in die Augen. Beide Augenpaare sind 10 – 15 Zentimeter voneinander entfernt.
Du mich verstehen? Bist du einer dieser einsamen Menschen im tiefen Wald? Ich haben Geschenke mitgebracht. Viele bunte Glaskugeln. Du dich bestimmt freuen. Was du wolle?
Gerhard: Stöhnt laut.
Halten Sie mich für blöd?
Erwein: Lächelt
Ja, wenn ich so direkt gefragt werde?
Edeltraud: Mischt sich ein.
Der Waldbursche ist der Sohn vom Bürgermeister und studiert Philosophie.
Erwein: Nun doch ein wenig überrascht.
Philosophie? So, ein Freund der Weisheit. Jemand, der Antworten finden will über die Fragen, welche die Welt bewegen. Und dazu ist er noch der Sohn des Häuptlings dieser Siedlung am Rande der Welt. Nach seinen Äußerungen hatte ich angenom…
Gerhard: Unterbricht Erwein und senkt den Kopf.
Also, ich muss mich entschuldigen. Absolut dämliche Reaktion von mir. Natürlich geht es mich nichts an, was Sie und Ihre Schwester hier wollen. Nur, Sie platzten mitten in ein Gespräch hinein, was ich mit Edeltraud führte. Das hat mich durcheinandergebracht. Mir sind die Gäule durchgegangen. Noch einmal Entschuldigung. Mein Name ist Gerhard Proll.
Erwein: Grinst Gerhard an.
Ich weiß schon, was Sie umtreibt, und ich habe vollstes Verständnis. Darf ich mich auch vorstellen: Mein Name ist Erwein Ruprecht von Ollersbaum.
Er zeigt auf seine Schwester.
Das ist meine Schwester Klariska Lenelotte von Ollersbaum. Ich weiß auch, dass in solchen Dörfern wie diesem …
Als er das skeptische Gesicht von Gerhard sieht, wedelt er mit der Hand.
Keine Aufregung. Ich will nur sagen, dass mir bekannt ist, dass man in Dörfern wie diesem immer noch denkt: Wir mäuseln unsere Hühner selbst!
Erwein tritt an Gerhard heran und legt ihm beide Hände auf die Schultern.
Keine Angst, lieber Mann, ich bin nicht zum Mäuseln gekommen.
Edeltraud: Blickt Erwein an und sagt verhalten empört.
Nicht-?
Gerhard: Verständnislos. Fragt laut.
Was ist das denn für ein Wort: Mäuseln?
Kurt: Kommt durch die Tür hinter der Theke in die Gaststube. Blickt mit entsetzten Augen Gerhard an.
Du hier? Eigentlich würde ich mich freuen dich zu sehen. Was muss ich jedoch hören!
Er blickt Gerhard ärgerlich an.
Also, von dir kommt der Ausdruck „Mäuseln“.
Mit lauter nachdrücklicher Stimme (theatralisch), wobei er die Faust ballt und nach oben in die Luft stößt, ruft er.
Ich sage dir:
Geh wohin du willst, auf jede Pirsch,
du erlegst nichts in diesem Haus,
denn hier bin ich der Hirsch
und achte auf die Maus.
Alle verschwinden ohne weiteren Kommentar von der Bühne. Kurt durch die Tür hinter der Theke. Edeltraud und die beiden Ollersbaums durch die Tür vor der Theke. Gerhard durch die Tür zur Wirtsstube.
Einen kurzen Moment ist die Bühne leer. ...