Leseprobe Landg z H Roman - ELW-Verlag

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Leseprobe Roman Landgasthaus zum Hirsch


Die Tür zu Gaststube öffnet sich  und der Vorsitzende des Skatklubs Max Alten betritt schwungvoll den  Raum. „Guten Tag Leute. Bin ich der Erste?“

Edeltraud, die an der  Theke steht, dreht sich zu ihm herum. „Wie immer Max. Du bist und  bleibst der erste Mann an der Spritze. Wenn du nicht so darauf achten  würdest, dass alle pünktlich sind, dann würdet ihr erst kurz vor  Mitternacht euer Spiel beginnen.“

Max lässt sich schweratmend auf  den Stuhl nieder. „Heute hatte ich ordentlich zu tun, damit ich  pünktlich sein konnte. Ich hatte mehrere Beschwerden zu bearbeiten.“

Kurt ruft vom Tresen herüber. „Was willst du trinken?“

„Ein Körnchen und ein Bier.“

„Kommt sofort.“

Während Kurt das Bier für Max zapft und das Schnapsgläschen füllt, fragt Edeltraud: „Max, was ist denn nun mit den Beschwerden?“

Max  blickt sie fragend an und sein Gesicht zeigt eine gewisse Ratlosigkeit.  Das hält ihn aber nicht davon ab, sich eine Zigarette anzuzünden. Dabei  brabbelt er genussvoll: „Wie gut, dass wir auf dem Dorf leben. Hier bei  uns interessieren diese merkwürdigen Rauchverbote keinen Menschen,  während in der sogenannten Zivilisation man im Regen vor der Tür steht.  Bei uns wird geraucht, Kneipe ist voll. Dort wird nicht geraucht, Kneipe  ist leer. Wo ist da die Logik? Rauchen ist nicht gesund, das wissen  wir. Aber was ist schon gesund?“ Er sieht Edeltraud nachdenklich an.  „Was wolltest du wissen? Ach ja, die Beschwerden.“ Es folgt wieder der  ratlose Blick. „Seit wann interessierst du dich für meine Beschwerden?  Mir geht’s gut ich habe keine. Hast du einen Grund zu fragen?“

Edeltraud  sagt erst einmal gar nichts. Sie bringt die Getränke an den Tisch. Als  sie ihm das Bier und den Schnaps hinstellt und das immer noch fragende  Gesicht von Max betrachtet, blickt sie gespielt verzweifelt an die Decke  und sagt: „Meine Güte Max, ich frage nicht nach deinem Zipperlein. Du  sagtest, falls du dich erinnern solltest, du hättest noch mehrere  Beschwerden bearbeitet, deswegen hättest du dich so beeilen müssen.“

Max  sieht Edeltraud an und gibt einen kleinen Lacher von sich. „Ach, ja.  Doch, ich kann mich erinnern. Entschuldige, das hast du gemeint. Ich bin  ja im Bürgermeisteramt unter anderem auch für den Friedhof zuständig.“  Er sieht zur Tür. „Wo bleiben die denn? Warum habe ich mich nur so beeilt?“ Blickt wieder Edeltraud an. „Du kennst doch die Meier, nicht wahr?“

Edeltraud  grinst breit. „Ja, ich kann mir auch schon vorstellen, was du mir  gleich sagen willst. Du willst mir bestimmt die Sache mit dem Grabstein  erzählen.“

Max macht überrascht den Mund zu und blickt sie  fragend an. „Ja das will ich. Woher weißt du denn das nun schon wieder?  Ach verdammt, natürlich Luise war hier. Ich habe sie eben noch gesehen.  Die hat dir das erzählt. Ja, es gab einige Beschwerden, weil man meint,  das würde nicht auf unseren Friedhof passen. Obwohl ich lachen musste,  als ich es gehört habe.“

Edeltraud stützt sich mit ihren Händen auf den Tisch ab und fragt: „Was machst du nun?“

Max  zuckt kurz mit den Schultern: „Gar nichts. Das bleibt mal so. Die Meier  ist zwar eine Zankeule, aber den Spruch finde ich cool.“

Edeltraud lacht. „Sehe ich auch so.“

Max’  Augen wandern zur Tür. „Also, was sagt man denn dazu? Immer noch keiner  da. Das gibt es doch gar nicht. Wir hätten schon ein Spiel machen  können.“

Lachend sagt Edeltraud: „Max reg dich nicht auf. Die kommen schon noch alle. Die lassen sich doch ihren Abend nicht nehmen.“

„Hast recht, mir bleibt ja sowieso nichts anderes übrig als zu warten.“

„Genau.“ Edeltraud lächelt Max an.

In  diesem Augenblick geht die Tür auf und es kommt atemlos Anton Schmidt  herein. Blickt sich um und freut sich sichtlich, wie das über sein  Gesicht ziehende Lächeln deutlich zeigt. Während er zum Tisch geht, ruft  er: „Ah, Gott sei Dank. Ich bin nicht der Letzte. Ich bin sogar der  Zweite.“ Dabei klopft er sich selbst auf die Schulter.

Der vorwurfsvolle Blick von Max trifft ihn. „Du brauchst gar nicht so selbstgefällig zu grinsen. Du bist zu spät.“

Mit beleidigter Miene fragt Anton: „Ja, aber die anderen?“

Stark  an seiner Zigarette ziehend antwortet Max, wobei ihm der Qualm aus dem  Mund strömt: „Was soll das denn? Die anderen? Wenn die zum Beispiel in  einen Bach springen, dann springst du hinterher?“

„Nein wirklich nicht. Ich brech mir doch nicht den Hals.“

„Nun?“ Max blickt Anton auffordernd an. „Warum bist du nun zu spät gekommen? Du hast dich noch nicht entschuldigt.“

Der schüttelt den Kopf: „Muss ich dir Rechenschaft abgeben?“

„Ja.“ Grinsend blicken ihn zwei Augen durch den dichten Rauch an.

Anton  blickt schuldbewusst auf den Boden und sagt leise: „Wenn das so ist,  ziehe ich natürlich meine Frage zurück. Also, mein Elefant ist  zusammengebrochen.“

Max holt tief Luft. „Nicht nur, dass du zu spät kommst, jetzt versuchst du mich auch noch zu verarschen.“

Anton grinst. „Was meinst du mit: Versuche dich zu verarschen?“

Empört wendet sich Max an Edeltraud. „Er verarscht mich und gibt es auch noch unumwunden zu. Habe ich das verdient?“

Edeltraud zieht ihre Schultern fast bis an die Ohren hoch und kann kaum ihr Kichern unterdrücken. „Ähem …?“

Gespielt ärgerlich sagt Max: „Ist schon gut Edeltraud. Bring mir noch einen Schnaps. Den habe ich aber verdient!“

„Da kann man zustimmen. Bringe ihn sofort.“

Die  Tür geht auf und Hans Müller erscheint. Auch er geht eilig auf den  Tisch zu und ruft: „Tut mir leid Jungs. Tut mir wirklich leid. Habe viel  zu tun. Wollte mich noch herbringen lassen, damit ich pünktlich bin,  hat aber leider nicht geklappt.“ Ruft zur Theke hinüber: „Hallo Traudel,  hallo Kurt; bitte ein Korn und ein Bier.“

Kurt ruft: „Ist schon in Arbeit, Hans; kommt sofort.“

Vorwurfsvoll  blickt Max Hans an. „Was für eine Ausrede ist das denn? Zuviel zu tun?  Hast wohl deine hellblonden Strähnchen mal wieder erneuern müssen?“ Er  begutachtet mit Kennerblick den Haarschopf von Hans. „Du wolltest dich  herbringen lassen? Was für ein Gelabere ist das denn nun schon wieder?“

Hans  streicht sich durch die Haare und wirft den Kopf leicht in den Nacken.  „Meine blonden Strähnchen sind schön und werden gepflegt. Oh du großer  Häuptling der Karten. Du bist nur neidisch weil du nicht den Mut hast  dir die Haare zu verschönern. Und-, ich labere nicht, Max. Es stimmt,  was ich sage. Heute war unser Frisiersalon voll. Wir haben Haare, wie am  Fließband geschnitten. Ich habe das Gefühl, als wenn sich alle am  gleichen Tag verabredet hätten, um sich schön machen zu lassen.“

„Dann  hast du ja genug verdient und kannst einen ausgeben.“ Max lehnt sich  auf seinem Stuhl zurück und lächelt seinen Gesprächspartner auffordernd  an.

Der lässt sich überhaupt nicht beirren und sagt lachend: „Ich  bin kein Beamter wie du. Ich muss für meinen Lebensunterhalt arbeiten,  mein lieber Max; während man dich unterhält, damit du weitgehend von  Arbeit befreit leben kannst.“

Anton meint: „Mann, das ist aber ne  Ansage. Wow, darauf muss man kommen.“ Kaum hat er das letzte Wort  ausgesprochen, wird er von Max strafend angeblickt, und hört ihn Antooon  rufen. „Ist schon gut Max. Aber, aber Hans hat doch recht, oder?“ Anton  blickt Max mit treuen Augen an.“

Etwas widerwillig antwortet  Max: „Okay, Anton, kann man akzeptieren.“ Sein Blick richtet sich auf  Hans. „Aber kein Mensch hat dich gezwungen in den Haaren anderer Leute  herumzuwühlen. Lenk also nicht ab und sag mir, was für eine  Entschuldigung du nun hast?“

Hans erstaunt: „Hatte ich das nicht bereits gesagt?“

„Schon, aber du wolltest dich doch hierherbringen lassen? Warum hat das nicht geklappt?“

Langsam  mit gedehnter Stimme und ein wenig ungläubig: „Ach so, das willst du  auch noch hören. Du steigst aber allen Aussagen so richtig hinterher.  Mein lieber Mann! Legst du von uns eine Datenbank für Zuspätkommer an?  Außerdem stelle ich fest, dass der Bürgermeister auch noch nicht da ist.  Willst du den gleichfalls fragen?“

Fröhlich nickend und mit  einem breiten Lächeln sagt Max: „Ja, mache ich. Es wäre doch schön, wenn  wir einmal alle pünktlich wären. Das mit der Datenbank ist übrigens  eine gute Idee.“

Hans schmunzelt und meint: „Also okay, aber ich warne euch, ist nämlich eine längere Geschichte.“

Als  wenn er den Segen erteilen wollte, öffnet gütig lächelnd Max seine  Hände und sagt: „Mein Freund Hans, wie du schon richtig bemerkt hast,  ist unser Bürgermeister auch noch nicht da. Wir haben also genügend  Zeit, deinem Märchen zuzuhören.“

Hans nickt zustimmend: „Dann  lege ich mal los. Also, mein Auto steht in der Reparaturwerkstatt von  meinem Freund Ali. Weil die Zeit knapp war, wollte ich ihn bitten, dass  er mich mit seinem Wagen herbringt. Wir fuhren los. Nach kurzer Zeit  sehen wir ein Auto am Straßenrand stehen. Eine Dame hat eine  Reifenpanne. Der linke hintere Reifen war platt. Die anderen drei Räder  waren noch in Ordnung.“

Anton kräht dazwischen: „War sie denn schön?“

„Wer, was, wie?“ Hans sieht Anton fragend an.

Verdutzt antwortet Anton: „Ich meine nicht die Reifen oder das Auto, ich sagte sie, meinte also natürlich die Frau.“

Hans klopft sich mit der flachen Hand auf die Stirn: „Und wie, Anton.“

Anton lächelt zufrieden und legt sich zurück, während er sagt: „Schon entschuldigt!“

Mit  beiden Händen wedelt Max in der Luft herum. „Nichts da, ich will die  ganze Geschichte hören. Erst dann wird entschuldigt. Wie ging es  weiter?“

Hans über das ganze Gesicht grinsend fährt fort: „Ali  und ich begannen, den Reifen zu wechseln. Die Dame meinte, dass wohl ein  Vergaser kaputt sei.“ Er macht eine kleine Pause und sieht zuerst Max  und dann Anton ins Gesicht, kann jedoch keine Regung feststellen. Er  hebt beide Schultern und seufzt: „Na dann, wenn keiner von euch bemerkt,  dass hier etwas falsch ist, will ich weiter erzählen.“ Er holt tief  Luft.

Da sagt Anton mit wissendem Gesicht: „Mir ist das schon  aufgefallen mit dem einen Vergaser. Kann aber nichts Falsches an der  Aussage der Dame sehen, denn die anderen drei Vergaser waren ja noch in  Ordnung.“ Hans bekommt einen Schluckauf.

Max wirft ein: „Ich  wollte eigentlich nichts sagen, da ich deiner Erzählung voller  Ergriffenheit lausche, mein lieber Hans. Du übertriffst dich mal wieder  selbst. Das mit den Vergasern gefällt mir aber sehr. Ich finde Anton hat  recht. Die drei anderen Vergaser waren ja anscheinend noch in Ordnung  und wie ich es verstehe auch schön rund. Also, wie ging das nun weiter  mit eurem Vergaserwechsel?“

Anton strahlt Max an: „Danke für die Erläuterung. Genauso sehe ich es auch.“

„Na,  wenn ihr es richtig verstanden habt, dann kann ich ja weiter erzählen“,  meint Hans. „Also, was soll ich sagen. Wir wären trotz des  Reifenwechsels, äh Vergaserwechsels, wie die Dame sagte und Anton  bestätigt hat, noch pünktlich gewesen, wenn nicht das Auto von Ali  plötzlich Motorprobleme bekommen hätte. Wir haben es gerade noch zurück  in die Werkstatt geschafft.“

Wissend nickt Anton: „Ja, ja, der Schneider hat die schlechtesten Kleider.“

Zustimmend ergänzt Max: „Und der Friseur hat die schlechteste Frisur.“

Hans  streicht gedankenverloren über seine Haare und blickt in die Runde  während er sagt: „Ali fragte mich, ob mein Termin wichtig wäre. Ich  sagte ihm, dass Leben und Tod davon abhängen.“

Mit großen Augen meint Anton: „Das hast du aber gut gesagt. Wäre ich nicht drauf gekommen.“

„Danke! Ali sagte dann, dass er mich mit seinem Teppich herfliegen wolle.“

Energisch  klopft Max mit der Faust auf den Tisch: „Jetzt ist Schluss. Langsam  reichts. Ihr habt euch verabredet mich auf den Arm zu nehmen, oder?“

Unerbittlich  mit todernstem Gesicht redet Hans weiter: „Unterbrich mich nicht, Max.  Du wolltest die Geschichte hören, du hast die Geister gerufen, nun nimm  die Antwort entgegen. Also, er wollte mich mit dem Teppich herbringen.  Er holte ihn aus seiner guten Stube, breitete ihn vor sich und mir aus,  streichelte ihn, nahm ihn am hinteren Ende in seine Hände und schüttelte  ihn. Ali hat ihn geschüttelt und geschüttelt und geschüttelt ….“, Hans  hebt bedauernd beide Hände hoch „… ist aber leider nicht angesprungen.“  Anton, Kurt und Edeltraud lachen laut.

Anton fragt ein wenig mitleidig: „Hat er das Tanken vergessen?“

Max beginnt zu Hyperventilieren.

Hans ruft, bevor Max irgendetwas sagen kann:
„Edeltraud, bitte schnell drei Schnäpse, bevor der Motor von Max stehenbleibt.“

Edeltraud  Immer noch lachend: „Gerne Hans. Der Joke war gut.“ Sie sieht zur Tür.  Die Gaststube wird durch Bürgermeister Gerhard Proll betreten. Sie  wendet sich an die anderen: „So, jetzt seid ihr vollständig.“

Herbert  Proll geht langsam zum Skattisch. Auf seiner Stirn prangt ein großes  Pflaster. Seine braunen Augen blicken in die Runde. Dann sagt er  behäbig: „Guuuuten Aaaaabend.“

Anton ungeduldig: „Herbert beeil dich, wenn du noch langsamer sprichst, kannst du gleich zur Dialyse gehen.“

Max  sieht den Neuankömmling an, tippt mit dem Zeigefinger auf seine Uhr und  sagt: „Auch wenn du der Bürgermeister bist, frage ich dich, warum bist  du zu spät gekommen?“

Herbert hat  mittlerweile den Tisch erreicht, blickt in die Runde, zeigt mit dem  Daumen hinter sich auf die Eingangstür und sagt dann ruhig ohne eine  Miene zu verziehen: „Ich kam nur sehr schwer hier herein; draußen vor  der Tür liegt ein Elefant!“

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